Zweisprachig aufzuwachsen ist toll und öffnet den Kindern schon früh einige Türen. Ich, für meinen Teil, hätte mich über eine zweite Sprache zu Hause gefreut.
Ich bin (leider) nicht zweisprachig aufgewachsen. Dafür bekommt Kind nun die Chance und das freut mich natürlich sehr. Doch wie bei so vielem in der Kindererziehung, kann man natürlich auch hier so einiges falsch machen. Deshalb möchte ich dir heute zeigen, wie das mit der Zweisprachigkeit in der Theorie gehandhabt wird und was wir daraus gemacht haben. Ganz nach dem Motto: viele Wege führen nach Rom bzw. zu einer zweiten Sprache.
Zweisprachig erziehen für Anfänger
In der Theorie ist es ganz einfach: ein Elternteil – eine Sprache. Ganz wichtig hierbei: jeder Teil spricht in seiner MUTTERSPRACHE! Kein englisch, weil es heute halt wichtig ist und kein italienisch, weil man da so gerne den Urlaub verbringt. Ja, und auch kein spanisch, nur weil man fluchen kann wie ein Rohrspatz.
Der Punkt ist einleuchtend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die das nicht verstehen. Dachte ich mir. Bevor ich Mutter wurde. Du ahnst vielleicht schon wohin das führt, gäll?
Genau. Ich bin die Mutter, die weder spanische Wurzeln noch irgendein Sprachdiplom hat und es trotzdem tut. Ich spreche mit meinem Kind in der Muttersprache meines Mannes. Nicht, weil ich es besonders gut könnte. Nein. Ich tue es einfach, weil es sich in erster Linie richtig anfühlt. Weil gewisse Dinge auf spanisch einfach stimmiger sind als auf deutsch. Weil es Sachen gibt, die ich in meiner Muttersprache nicht erklären kann, da keine vergleichbaren Worte dafür existieren.
Und weil es mir von Anfang an ein Herzensanliegen war, dass Kind sich später mit beiden Familien unterhalten kann, mit der mexikanischen genau gleich wie mit der in der Schweiz.
Mein Mann war kurz nach der Geburt aufgrund eines neuen Jobs ziemlich eingespannt. Ich verbrachte die meiste Zeit mit dem Kind. Da war es für mich einfach naheliegend, den spanischen Part zu übernehmen. Ganz im Vertrauen, dass er deutsch schon lernen wird.
Das dass jetzt nicht unbedingt der Theorie entspricht, leuchtet mir selbst ein. Auch dass viele Leute meine Entscheidung nicht nachvollziehen können, verstehe ich. Trotzdem, oder gerade deshalb, möchte ich heute aufzeigen, warum ich das so handhabe.
Druck von Aussen
In den Wochen vor der Geburt gab es Tage, an denen ich, ausser mit meinem Mann und seinem besten Freund (der damals eine Zeit lang bei uns lebte) keinen grossen Kontakt zu anderen Menschen hatte. Wir lebten und arbeiteten zusammen und mit dem grossen, dicken Bauch war ich froh, mich abends aufs Sofa rollen zu können.
Spanisch war von Anfang an unsere Familiensprache. Einerseits tat (und tut) sich mein Mann schwer mit dem Erlernen einer neuen Sprache. Andererseits übernahm ich sehr schnell einen grossen Teil seines Wortschatzes. Ausserdem sollte sich Kind später auf beide Arten verständigen können. Da Deutsch kein Problem sein wird, wollten wir zu Hause den Fokus aufs Spanische setzen.
Bereits diese Entscheidung brachte uns einiges an Kritik ein. Wie komme ich auf die Idee, mit meinem Kind in einer anderen, als meiner Muttersprache zu sprechen? Das ist doch komplett unnatürlich.
Naja, vielleicht. Natürlich hatte ich meine Zweifel und Bedenken. Schliesslich will man als angehende Mutter nichts falsch machen.
Zweisprachig – ist es etwa schief gelaufen?
Ich liess das Kind dann erst einmal auf die Welt kommen. Und ihn mir eine Entscheidung abnehmen.
Denn schnell merkte ich, dass sich dieses kleine Bündel viel schneller beruhigt, wenn ich mit ihm auf Spanisch spreche. Das war mein Beweis. Dafür, dass ich von Anfang an die richtige Entscheidung getroffen hatte. Spanisch war unsere Sprache. Ich hatte halt ein Mexi-Baby. 🙂
Das Kind gedeiht und entwickelt sich hervorragend. Bald spricht er seine ersten Wörter. Und, oh Wunder, sie sind alle auf deutsch. Das war also so nicht geplant.
Papa verstand seinen Sohn nicht, gleichzeitig freuten sich natürlich die Grosseltern und einige Mitmenschen hörte ich fast schon tuscheln. War ja klar, dass das nicht funktionieren konnte.
Vertrauen als Problemlöser
In unseren ersten beiden Mexiko-Ferien fungierte ich als Übersetzerin. Das Kind sprach kein einziges Wort spanisch. Meine Familie äusserte bereits Bedenken, dass es so bleiben wird. Meine Schwiegermutter konnte sie aber beruhigen. Sie freute sich, dass das Kind überhaupt sprach, denn käme es nach seinem Vater, hätte es bis zum dritten Geburtstag geschwiegen. 🙂 Ich vertraute einfach darauf, dass Kind irgendwann soweit sein wird. Oder vielleicht auch nicht, vielleicht möchte er keine zweite Sprache sprechen. Das wäre zwar ein wenig schade gewesen, aber eine Entscheidung, die ich akzeptiert hätte.
Mit dem dritten Geburtstag war es dann auch wirklich so. Der sogenannte Knopf ist aufgegangen.
Heute ist Kind 4 und spricht beide Sprachen fliessend. Spanisch ist uns als Familiensprache erhalten geblieben, einfach, weil Papi sich mit dem Deutsch sehr schwer tut. Ich spreche mittlerweile beide Sprachen mit dem Kind, während er sich dazu entschieden hat, mit mir kein Spanisch mehr zu reden. Das ist auch völlig in Ordnung so.
Einmal mehr durfte ich erleben, dass es richtig war, nicht nur meinem Gefühl sondern auch meinem Kind zu vertrauen.
Wenn du im Moment vor einer ähnlichen Entscheidung stehst, wie ich damals vor der Geburt: Hör darauf, was dein Bauch dir sagt. Oder noch besser: warte ab und hör auf dein Kind. Es wird dir den richtigen Weg zeigen.
Wie handhabt ihr das in eurer Familie? Einsprachig? Zweisprachig? Oder sogar mehrsprachig? Ich freue mich auf deinen Kommentar und den Austausch.
Übrigens, falls du mehr darüber erfahren möchtest, wie du dein Kind bei der Sprachentwicklung unterstützen kannst, lies gerne hier weiter.
Deine
Corina
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Ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wenn Kinder scheinbar mühelos zwischen den Sprachen wechseln können. Danke für den aufschlussreichen Artikel!
Das fasziniert mich auch immer wieder. Und zeigt, wie flexibel unser Gehirn sein kann.