Motorik fördern – Stürze zulassen

Heute möchte ich ein Geständnis machen. Mein Mann ist ein Helikopter-Elter. Genau, eines dieser ultra-beschützenden umherschwirr Exemplare, die ständig über dem Kind kreisen. Unter seinen Top 10 der meistgesagten Sätze befinden sich unter anderem: „Du fällst noch hin“ und „Pass auf, das ist gefährlich“. Zum Glück wird es, je älter Rabauke wird, besser. Aber auch nach fast 3 Jahren kriegen wir uns regelmäßig in die Haare. Denn ich bin ein großer Fan des Selber-Probierens und nehme dabei auch Stürze oder kleinere Prellungen in Kauf.

Motorik fördern durch Unfälle?

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich würde mein Kind nie irgendwelchen größeren Gefahren aussetzen. Aber ich glaube wirklich, dass er auch einmal hinfallen darf, nein sogar muss, um seine motorischen Fähigkeiten optimal zu entwickeln.

Motorik muss erlernt werden. Und dazu gehört auch das Fallen. Menschen fallen nicht automatisch richtig. Kinder, die in jungen Jahren Fallen lernen – weil sie hin und wieder kleinere Unfälle haben, erleiden im späteren Leben weniger große, gefährlichere Unfälle. Es gibt viele Unfälle, die total unverhältnismäßige Folgen haben. Da stolpert ein Kind über eine Schwelle und trägt eine Gehirnerschütterung davon, weil es nicht richtig fallen kann. Kleinkinder mit entsprechenden Bewegungsmöglichkeiten werden aber schnell achtsamer, wenn die Eltern nicht panisch auf einen Sturz reagieren. Sondern dem Kind Raum geben, die Erfahrung zu verarbeiten.

Das ist oftmals leichter gesagt als getan. Natürlich mache ich mir viele Sorgen und habe Angst um mein Kind. Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als er das erste Mal alleine die Treppe runterlief. Aber das sind MEINE Ängste, nicht die meines Kindes. Ich versuche, so gut es geht diese Ängste beiseite zu schieben und meinem Sohn zu vertrauen. Wenn er sich zutraut, die Treppe alleine runterzukommen, warum sollte ich das nicht auch tun?

Hochheben oder selber probieren lassen?

Auf dem Spielplatz kommt unsere unterschiedliche Auffassung der optimalen Motorik-Entwicklung wunderbar zum Vorschein. Während mein Mann den ganzen Besuch über ziemlich im Stress ist, mache ich es mir irgendwo bequem und beobachte das Geschehen (dabei mache ich spannende Entdeckungen, wie du hier lesen kannst). Mein Mann ist die ganze Zeit damit beschäftigt, den Rabauken irgendwo hochzuheben, runter zu holen und zu ermahnen auch ja aufzupassen.

Ich bin der Meinung, überall wo er selber hochkommt, kommt er auch wieder selber runter (meistens jedenfalls). Ich bin natürlich da, um Hilfestellung zu geben, aber ich hebe mein Kind auf kein Klettergerüst. Auch wenn es das noch so gerne möchte. A.) Macht mein Rücken das nicht mit (gut, vielleicht mit einem Kind zu Hause kann das noch klappen, aber stell dir vor ich würde das in der Kita mit 10 Kids machen) und b.) Rabauke darf auch erfahren, dass gewisse Dinge einfach noch zu hoch sind. Wenn er es selber schafft zu klettern, gibt ihm das ein ganz anderes Gefühl, als wenn ich es für ihn erledige. Dieses Stärken des Selbstwertgefühls festigt automatisch auch das Vertrauen in sein motorisches Können. Damit reduzieren wir die Unfallgefahr ganz natürlich.

Übrigens habe ich hier einen tollen Artikel über eine „faule“ Erzieherin gefunden und wie die Kinder davon profitieren.

In die Zukunft stürzen

Fassen wir zusammen: ein Kind, dass das Fallen lernen darf, wird später weniger grosse & gefährliche Unfälle haben. Ein Kind, dass toben und klettern darf, stärkt sein Selbstbewusstsein. Ein Kind, dass auch mal irgendwo nicht hochkommt, lernt mit Frust umzugehen.

Und zu guter Letzt habe ich gelesen, dass Kinder, die einen guten Gleichgewichtssinn haben, später auch besser in der Schule sind. Mit diesem Argument konnte ich meinen Mann tatsächlich sogar überzeugen, ab und zu einen Gang runterzuschalten. Letztens hat er sich auf dem Spielplatz sogar ganze 5 Minuten zu mir auf die Bank gesellt. 🙂 🙂

Wie läuft es bei euch zu Hause? Gibt es Themen, bei denen dein/e Partner/in und du komplett anderer Meinung sind? Und wie geht ihr damit um? Ich freue mich auf eure Rückmeldungen.

Eure

Corina

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Corina

6 Gedanken zu „Motorik fördern – Stürze zulassen

  1. So handhaben wir es auch und sind immer gut damit gefahren. Beim Spielplatz gibt es aber auch Ausnahmen. Klettert eines der Kinder irgendwo drauf, wo es trotz mehrmaligem Probieren nicht allein runter kommt, wird es natürlich auch mal „gerettet“. Auch das finde ich ein wichtiges Learning „Meine Eltern helfen, wenn ich wirklich nicht mehr weiter weiß/kann.“,

    Danke für den schönen Beitrag!

    1. Ich arbeite mit meinem Mann noch stark daran, irgendwann kann ich ihn hoffentlich davon überzeugen, dass Stürze zur Entwicklung dazugehören.
      Liebe Grüsse zurück

  2. Ich finde auch, dass Stürze dazugehören. Die Frage ist aber auch immer aus welcher Höhe. Ich finde deshalb Pikler Geräte für die Kleinsten super, denn damit lernen, sie die Bewegungsabläufe schon sehr früh in ungefährlicher Höhe. Falls dies noch jemanden interssiert, lasse ich einfach mal den Link zum Artikel über das Pikler Dreieck hier.

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